Carriage Building Fascination - Florian Staudner
Oberlaa, Vienna, Austria
September 20, 2006 - 18:10 MEST
Lat: 48° 8' 15.07" N
Long: 16° 24' 6.06" E
Elevation: 398 m
Precision is: High. Pinpoints the exact spot.
In einer kleinen Werkstatt am Stadtrand von Wien wird die alte Handwerkskunst des Wagenbaues gepflegt. Sowohl auf dem Gebiet der Holzarbeit als auch auf den Gebieten der noch dazugehörigen Handwerke wie: Schlosser, Schmied, Lackierer und Tapezierer.
Hier kann man sich wie vor fast hundert Jahren eine Kutsche kaufen oder bauen lassen. In der selben Machart wie seinerzeit und zum Teil auch auf Maschinen aus der Zeit, als der Kutschenbau seine Hochblüte hatte.
Die Kunden sind meist Pferdefreunde, die sich dem Fahren mit Kutschen verschreiben haben, sowie Fiaker, Sammler oder Museen. Der Kundenkreis ist sehr klein, obwohl er sich über Österreich, Deutschland, Schweiz und letzteres Amerika erstreckt. Nicht selten kommt es vor, dass als Weihnachtsgeschenk ein kompletter Pferdeschlitten bestellt wird. Interessante Aufträge wie der Nachbau von Pferdeomnibussen, Pferdestraßenbahnen oder Pferdeeisenbahnen bereichern die Palette und Vielfalt der pferdegezogenen Fuhrwerke.
Immer öfter kommt auch die Beratung zur Einrichtung und Gestaltung von einschlägigen Museen dazu. Wie beispielsweise Kutschen, Handwerks- oder Maschinenmuseen. Es werden neue Kutschen genau so gebaut, wie alte restauriert, wobei diese Arbeit mit der nötigen Ehrfurcht zu geschehen hat, um für die Nachwelt keine Fälschungen zu hinterlassen.
Alte Automobile kommen nur dann zu uns, wenn die Karosserie noch vollkommen aus Holz ist. Viele dieser alten Arbeitstechniken sind direkt von alten Meistern überliefert worden so wie z.B. die Herstellung der Holzräder – es geschieht nach wie vor nach alten Regeln. Ebenso das Biegen des Holzes.
Das vorwiegend verwendete Holz ist die Esche: sie ist elastisch und fest; genau das Richtige für die Konstruktion eines Wagens. Für die Fertigung der Röder wird wie vor hunderten von Jahren die Nabe das Mittelstück des Rades, aus Ulme oder Ruste gemacht. Die Speichen und Felgen aus Esche, nur ganz selten auch aus Buche.
Bevor ein Luxuswagen neu gebaut wird, muss, wie früher auch, eine Planzeichnung angefertigt werden. Es sei denn, es handelt sich um ein landwirtschaftliches Fuhrwerk, dies wurde früher im allgemeinen frei nach der Erfahrung und Überlieferung gebaut.
Der Wagenkasten wird nach wie vor aus Massivholz gefertigt. Die dazu nötige Werkzeichnung, eine spezifisch für den Wagenbau ausgerichtete Methode wird 1:1 gezeichnet. Man kann sich daher vorstellen wie groß so ein Zeichenbrett sein muss. Dieser Zeichenvorgang ist das eigentliche Herz des klassischen Luxuswagenbaues. So weisen doch die einzelnen Wagenkästen meist sphärische Wölbungen auf, der Schnitt durch solcher Art ist kompliziert.
Um am Zeichenpapier Platz zu sparen, wird nicht selben übereinander gezeichnet, was den nicht kundigen Betrachter leicht den Überblick verlieren lässt. Der „handwerkliche“ Höhepunkt in der Kunst des Planzeichnens wurde bei den ersten Holz-Automobilkarosserien vor allem der Luxusklasse erreicht.
Die Eisenteile des Wagens werden bei uns in einer richtigen traditionellen Schmiedewerkstatt gefertigt. Da entstehen die Achsen, Federn, Drehgestelle, Schlösser, Türgriffe, Sonderschrauben und Muttern.
Das Kutschenlackieren, früher ein eigener Berufszweig, ist längst vom Autolackieren verdrängt. Eine Kutsche klassischer Bauweise wird mit der Hand pinsellackiert und nicht etwa mittels Spritzpistole.
So wird hier teilweise noch in alten Materialen wie Firnis, Öl- und Staubfarben gearbeitet. Den letzten optischen Pfiff bekommt die Lackierung mit der sogenannten Beschneidung und nennt man die Zierlinien auf den Rädern auf dem Wagenkasten und auf den geschmiedeten Eisenteilen. Dies geschieht mittels eines speziellen Pinsels, den man Schlepper nennt.
An den Türen oder Seitentafeln einer hochstehenden Kutsche wurde nicht selten ein Wappen oder zumindest ein Monogramm gemalt. Prunk, Bequemlichkeit und Stil ist an der Innenausstattung eines gedeckten Wagens wohl am deutlichsten sichtbar. Mit etwas Glück kommt man bei einem Besuch in meiner Werkstatt gerade bei den letzten Arbeiten der Innenausstattung zur rechten Zeit.
Gerade ist die dunkelblaue Knopfheftung, die kleinen Rauten gelegt fertig. Säcke mit Rosshaar und Afrik als Füllmaterial stehen herum, extravagante Posamenten und Borten kann man finden. Und es riecht gut nach Leder für eine Dachbehäutung oder Leder für Kotflügeln.
Nun wird gerade der Fußboden ausgefertigt. Ein von uns speziell wieder nur für den Kutschenbau nachgefertigtes Linoleum wird gerade zugeschnitten. Es hat ein strohgelbes Wiener Geflechtdesign, das dem dunklen Fußraum des Wageninneren eine fröhlichere Note verleiht als nur schwarz.
Edle Equipagen bekommen noch zusätzlich eine in Leder eingefasste Gummimatte oder einen in der Farbe abgestimmten Wollvelourteppich. An der Innenseite der Fenster eleganter Glas-Landauer, Berlinen oder wie in unserem Fall einem Coupé sind noch zierliche Rollos anzubringen. Ebenso Aschenbecher und Spiegel. In diesem Fall sind die Griffe und Knöpfe aus Elfenbein. Andernfalls sind sie messingpoliert oder aus Horn, Ebenholz oder Birnenholz.
Die moderne Zeit bringt es mit sich, dass die Probleme in der Materialbeschaffung immer mehr und mehr werden. Beim Material Holz ist das noch einfach. Beim Rohmaterial Eisen treten schon die ersten Hindernisse auf. Einzelne Rohabmessungen und Qualitäten werden ganz einfach nicht mehr erzeugt. Die große Aufgabe ist für mich (und wird es in nächster Zukunft vermehrt sein), Material aufzutreiben, gegebenenfalls anfertigen zu lassen oder gar selbst herzustellen.
Ähnliche Probleme gibt es mit Zulieferfirmen und Spezialwerkstätten. Diese sind meist Kleinstbetriebe, sie müssen nach und nach zusperren, da die moderne Wirtschaftspolitik sie einfach nicht genügend berücksichtigt!
Das erklärt auch den hohen Preis einer klassisch gebauten Kutsche, stellt aber zugleich den immer höher werdenden Wert dieser Handarbeit dar.